Sonntag, 24. März 2024

Sehnsüchte

Das Schöne am Laufen ist, dass man dabei seinen Gedanken nachhängen kann. Je eintöniger die Strecke, umso besser.

So habe ich heute gute Gelegenheit, sogar mehrdimensional an Sylt zurückzudenken.

Jedenfalls orgelt ein ordentlicher küstentauglicher Sturm über das Rheinland, wie die Fahne in einem Garten zeigt. Komisch, der 1.FC Köln hat doch ein ganz anderes Emblem... 


Möwen haben wir auch! Leider haben die rheinischen Verwandten keine Lust, über den Feldern gleitend ihr typisches Möwengeschrei loszulassen. Wissen die denn gar nicht, was sich für eine anständige Möwe gehört? Man müsste sie mal testen und mit einem Fischbrötchen hier auftauchen...


Die Luft ist natürlich leider eine ganz andere. Ich hätte mir das Salzwassernasenspray mitnehmen sollen um hier und da eine Portion davon nehmen zu können.

Ein Stück arbeite ich mich dem Sturm entgegen, das muss sein! Und dann natürlich auf dem Rückweg den Schub genüsslich mitnehmen. 

Die rheinische Landschaft als solche kann natürlich nicht ganz mithalten, da muss ich mein inneres Auge bemühen, bzw. den Speicher  meines Smartphones. Hach, diese Stimmungen....




Aber ich bin froh, dass wir nicht so arm dran sind, wie die da auf der Insel, die anscheinend jede noch so vergammelte Ruine irgendwie wieder aufbauen müssen...



Und wie lustig, einen Haufen Lebensabschnittskollegen habe ich auch gefunden. Deren Job war früher, Westerland vor der Brandung zu schützen. Jetzt dürfen sie hinter den Dünen ausruhen.

Tja, schön aber wie immer zu kurz war's. Muss ich halt wieder hin...


Daher jetzt nach dem Lauf erstmal eine Tasse Friesentee, Mischung "Deichgraf". Dazu mit einem Syltkrimi ab aufs Sofa. Da fühlt man sich dann fast wieder wie dort.

Unterwegs sah ich heute in einem Wohnmobil diese beiden munteren Gesellen. An welche Destination es die wohl zieht?

Sonntag, 17. März 2024

Syltlauf 2024 (34,4 km)

Der Syltlauf in der 2024'er Auflage war erneut vom Nord- zum Südende der Insel angesetzt, da das in den Jahren zuvor übliche Ziel in List (=Nordende der Insel) durch Baumaßnahmen nicht zur Verfügung steht.

Die Wahl der Laufrichtung ist im Prinzip gehopst wie gesprungen. Allerdings erhöhte sich so auch die übliche Strecke von 33,333 km auf 34,4 km, was aber anfangs nur sehr undeutlich komuniziert wurde. Zudem ist der Lauf sehr windanfällig und bisher hatten wir bei unseren Teilnahmen meist sehr hilfreichen Rückenwind, was dann ja logischerweise Gegenwind bei umgekehrter Richtung bedeuten würde. Aber man muss auch mal Glück haben, anfangs gab es diesmal leichten Seitenwind, später dann solchen von schräg vorn.

Ca. 1.200 Läuferinnen und Läufer stehen bei schattigen 4° am Start in den Dünen bei List. Vortrefflich funktionierte der Shuttleservice mit Bussen, im Startpreis von 50 EUR enthalten. Auch das Gepäck kann man in 2 Bussen deponieren und es später am Ziel in Hörnum abholen.

Heidrun ist Startläuferin einer Staffel, ich möchte die Gesamtdistanz angehen.


Für den Startschuss nutzen sie hier eine richtige Kanone. Mit gehörigem Wums geht es los auf den ersten langen Dünenabschnitt.


Anfangs läuft man noch relativ dicht zusammen. Zumindest um mich herum setzt keine Hektik ein.  Syltkenner wissen, auf die Einteilung der Kräfte kommt es an, nicht auf deren Verpulverung.
So trabe ich auch mit um die 6:20 Min/km los. Anfangs mache ich mir etwas Sorgen um meine Kleidung. Es soll ja ein wenig wärmer werden, bis 7°/8°, doch dann soll auch der Wind ein wenig zulegen. Wir wird sich der Windchill-Effekt auswirken? Zunächst fürchte ich, zu warm angezogen zu sein, aber später erweist sich die Wahl als gut.
Der schonungslose Smalltalk um mich herum lässt dann auch bald nach und die meisten konzentrieren sich auf ihren Lauf.



Die ersten 5 - 6 km komme ich nicht richtig in den Rhythmus. Irgendwie läuft es unrund. Meine Laufweste sitzt zu fest und stört die Atmung, also daran rumgezerrt bis sie sich lockert. Fühlt sich gleich besser an.



Bei km 7,5 (meine Messung, laut Veranstalter 6,5 km) der erste Getränkeposten. Es gibt Iso, Bananen und ERWÄRMTES Wasser. Letzteres ein wahrer Genuss bei der Kälte!
Langsam habe ich das Gefühl, nun liefe es besser. Auch wenn mein Rücken mosert. Schon von daheim brachte ich eine arge Verspannung im linken Rücken mit, die sich nicht abschütteln ließ und nun beginnt, sich wieder zu verstärken.



Ha, ein "alter Bekannter", der Baumstammträger. Er ächzt ganz schön unter seiner Last. Als ich mich an ihm vorbeischiebe, spricht er sowas wie eine Livereportage in sein Smartphone. "Laufe gerade von List nach Hörnau (!) ... Hammer-Strecke ... Super-Stimmung ... Yeah!"


Wir streifen kurz Kampen, um km 12. Hier, wie auch an vielen anderen Teilen der Strecke, haben sich einige Zuschauer versammelt und feuern das Feld an. 
Bei mir hilft das leider gerade gar nicht. Ich habe zunehmend das Gefühl, dass mir schon jetzt die Körner ausgehen. Was für ein Ärger. Und das bei guten äußeren Laufbedingungen in schöner Landschaft.


Schon vor dem nächsten Trinkposten in Wenningstedt (Meine Messung km 15, Veranstalterangabe km 13,5) plagen mich Seitenstiche. Das auch noch. Und dann gibt es bei dem Posten noch nicht einmal Wasser! Notgedrungen nehme ich ein Iso, doch das ist nicht für meinen Gaumen gemacht, nach einem Schluck entsorge ich das Zeug. Meine Notration in der Laufweste ist hingegen sehr kalt, auch kein Genuss.

Eigentlich ist es immer ein schöner Moment, wenn man die Kurpromenade von Westerland etwas nach km 18 erreicht. Das Meer, Aufmunterung von den Zuschauern, und auch schon mehr als die halbe Strecke absolviert. Und warmes Wasser gibt es auch am VP. 


Doch all das vermag mich nicht von langsam reifenden Entschluss abzubringen, nämlich auszusteigen. Es läuft sich mittlerweile so zäh und anstrengend, etwa wie bei Wassergymnastik. Das "System" stimmt heute bei mir überhaupt nicht. Und dann wären ja noch weitere 16 km zu laufen.... 

Will ich mir das antun?
Muss ich mir das antun?

Wenn ja, warum?

Auch wenn es schwer fällt, bei km 19 setze ich den Einkehrschwung in Richtung der Ferienwohnung an. Ist zwar sehr schade, so hatte ich mir das nicht vorgestellt, aber nun ist es eben leider so.

Nun ergibt sich natürlich ein kleines Problem: Mein Kleiderbeutel wartet ja auch 16 km entfernt auf seine Abholung. Also duschen, umziehen und ab per Auto nach List. Dabei habe ich die Gelegenheit, meine Mitstreiterinnen und -streiter von der Straße aus zu beobachten. Ja, da hätte ich nun auch dabeisein können. Hätte-hätte-Fahrradkette. Aber viele von ihnen haben auch zu kämpfen. Nicht wenige schieben Gehphasen ein. Und der Baumträger rackert sich auch noch immer ab. Ich freue mich für alle, die ihren Kampf erfolgreich durchstehen und bewundere die, die nicht aufgeben. Das war heute nicht meins.

Auf ein Besseres beim nächsten Mal.

Montag, 11. März 2024

Wellnesslaufen

Für einen gemütlichen langen Lauf wird es Zeit, eine spezielle Passage anzusteuern.

Ob diese Zeit gekommen ist, hört man am Gesang der Vögel und riecht es an den Düften in der Luft, die man ja beim Laufen reichlich inhalieren kann. Also, nichts wie hin. 


Nach einem eher langweiligen Straßenstück wird es bald hübscher.




Ein Haus stört leider die Idylle. Das Erdgeschoss komplett mit Brettern vernagelt, wartet es wohl auf den Abriss. Dabei ist  hier weit und breit kein Tagebau.



Und dann ... endlich da. Sind zwar nur wenige hundert Meter, aber die fühlen sich an wie pures Wellnesslaufen. 😁
Die 16 km des Tages geben mir das Gefühl, dass endlich ein Trainingserfolg zu spüren ist.



Montag, 4. März 2024

Historisch-planetarische Perspektiven

Der Start meines langen Sonntagslaufs sieht ziemlich unspektakulär aus. Schlägt aber den Bogen von Historie zum Weltall:
Historisch: Die ist der Originalverlauf der römischen Via Agrippa von Köln nach Trier und weiter nach Lyon. Dieser Strecke kann man abgesehen von 2 kurzen Unterbrechungen über viele Kilometer folgen.
Weltall: Mehr oder weniger entlang der Route findet sich in maßstabsgerecht umgerechneten Entfernungen und Proportionen unser Sonnensystem.

Den Planetenweg sind wir vor 4 Jahren, im Mai 2020 abgelaufen (Link), daher klappere ich nicht alle Stationen ab, aber was so am Wegesrand liegt, schaue ich mir kurz nochmal an. Wie z.B. hier Mars (auf dem ersten Bild ist die Station am rechten Rand zu sehen):



Ein Stück weiter fehlt Jupiter immer noch, seit 4 Jahren nun schon. 😒


Und gleich drauf wird es römisch. Wo der Weg die Erft kreuzt, stand früher ein Landgut, dessen Umrisse man je nach Vegetation auf dem Feld erkennen kann. Und es gab eine Mansio, eine Art römischer Rast- und Gaststätte. Auf beides weist eine Stele und ein Bauwerk hin. Letzteres leider arg beschmiert.





Der heutige Wegverlauf weicht um einige Meter vom römischen Weg ab, der von der A 61 geschnitten wird. Im Original verlief die Route früher von links kommend quer durch die Baumreihe am rechten Ufer, etwa da, wo die Stele erkennbar ist.

Die Erft sieht ja hier sehr harmlos aus. Doch der Sommer 2021 brachte denkwürdige Ereignisse. Gleiche Stelle, nur Blick in die Gegenrichtung. Im folgenden Bild hinten rechts erkennt man einen weißen, modernen Bau, das Marienhospital Erftstadt. Es wurde durch die Flut so in Mitleidenschaft gezogen, dass es erst im November 2023 wieder in Betrieb gehen konnte, also mehr als 2 Jahre und 80 Mio Eur später. Im Beitrag des WDR, sind besonders ab Minute 1:04 die damaligen Bilder zu sehen: Link.

Auch am Ufer lassen sich noch heute damalige Wasserstände erkennen:

Nach Überquerung der Autobahn geht es dann aber endlich hinaus in die Weite, wieder auf der Originalstrecke.



Bei Uranus, und einem in Dornengestrüpp fast verborgenen Wegekreuz daneben, folgt noch eine zweite Unterbrechung der römischen Richtung.



Man muss knapp 2 km Umweg nehmen durch Erftstadt-Ahrem. Womit man aber zugleich ein denkwürdiges Kunstwerk streift. Anlässlich der Flut wurde hier ein Erinnerungspunkt angelegt. Auf einer rostigen Tür sind jene Stadtteile Erftstadts markiert, die damals betroffen waren. Es sind so gut wie alle.

Ja, was ist überhaupt alles passiert, seit ich hier zuletzt lief.. Nicht nur die Flut. Corona hielt uns noch länger in Atem, seit 2 Jahren Krieg in der Ukraine, und das Wort "Ampel" ruft vielfach allergische Reaktionen hervor. 

Will man da wissen, was uns in nochmals 4 Jahren alles bevorsteht...?

Hinter Ahrem biegt man nach einem kurzen Stück Landstraße wieder auf die Via Agrippa ein, wo auf einer Stele noch kurz Originalverlauf und Umweg dargestellt werden.




Es sind wunderbare 14°. Nur eine Lage am Oberkörper, wenn auch langärmelig, ist für mich etwas grenzwertig, da weiß man den Windschutz der Baumreihe, die den Weg über einige km begleitet, zu schätzen.
Ansonsten darf man ab hier Vogelzwitschern und Einsamkeit genießen.
Noch kurz Pluto als äußersten Punkt (bei umstrittenem Planetenstatus) des Planetenwegs gewürdigt, ...


... dann folgt der Hohlweg, bei dem ich arg fluchte, als ich die Via Agrippa einmal mit dem ElliptiGo abrollte. Auch heute ist es holprig und noch matschig dazu.
Genau an diesem Abschnitt vermutet man übrigens römische Besiedlung, es gab schon einige Funde. Hätte ich doch einen Spaten mitgenommen.....



Dafür bin ich froh, an etwas anderes gedacht zu haben. Seit das MRT eine kräftige Prellung an einem der kleinen Handwurzelknochen festgestellt hat, und ich eine Schiene tragen muss, möchte ich natürlich einen weiteren Sturz um jeden Preis vermeiden. Da fiel mir ein, dass doch im Keller noch Handgelenksschützer für Inlinerfahren liegen. Also tausche ich Schiene gegen wirksameren Protektor. Der ist zwar unbequem, wäre aber im Fall des Falles hilfreicher. Der Fall tritt erfreulicherweise nicht ein.



Mein Wendepunkt liegt irgendwo im Nirgendwo. Interessant, wie die identische Route dann in Gegenrichtung eine ganz andere Aussicht bieten kann. Hinten am Horizont, aber verdeckt vom Villerücken, liegt Köln.



Auf Höhe meines geparkten Autos sehe ich, dass mir doch noch 2 km zu meinem Tagesziel von 26 km fehlen. Das Auto steht beim Krankenhaus. Also drehe ich noch eine Runde im dortigen kleinen Park, erwische Merkur und etwas Kunst am Wege.



Den Abschluss bildet die Sonne, die in Gegensatz zu ihren Kumpels in Farbe gestaltet ist. der Größenunterschied zu den Planeten ist beeindruckend. Das Original ist sogar willens, bei einem schönen Schnappschuss mit dem Abbild mitzuwirken.